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Essay "Orientzyklus"

Daten

TitelOrientzyklus
AutorRolf Dernen

Zugeordnete Texte

Konkordanz dieser Texte

TitelUntertitelKurzbemerkung
Der Schut illustrierte Reiseerzählungen
Der SchutReiseerlebnisse/-erzählung von Carl/Karl MayGesammelte Reiseromane/-erzählungen Band VI
Die Todes-KaravaneReise=Erinnerung von Karl May
Durch das Land der SkipetarenReise=Erinnerungen aus dem Türkenreich
Durch das Land der SkipetarenReiseerlebnisse/-erzählungen von Carl/Karl MayGesammelte Reiseromane/-erzählungen Band V
Durch das Land der Skiptearen illustrierte Reiseerzählungen
Durch die WüsteIllustrierte Reiseerzählung von Karl MayIllustrierte Reiseerzählungen
Durch Wüste und HaremReiseerlebnisse von Carl MayGesammelte Reiseromane Band I
Durchs wilde Kurdistan Illustrierte Reiseerzählungen
Durchs Wilde KurdistanReiseerlebnisse/Reiseerzählung(en) von Carl/Karl MayGesammelte Reiseromane/-erzählungen Band II
In Damaskus und BaalbeckReise=Erinnerung von Karl May
In den Schluchten des Balkan Fehsenfeld illustriert
In den Schluchten des BalkanReiseerlebnisse/-erzählung von Carl/Karl MayGesammelte Reiseromane/-erzählungen Band IV
StambulReise=Erinnerung von Karl May
Von Bagdad nach Stambul Illustrierte Reiseerzählungen
Von Bagdad nach StambulReiseerlebnisse/erzählung von Carl/Karl MayGesammelte Reiseromane/-erzählungen Band III
»Giölgeda padishanün«Reise=Erinnerungen aus dem Türkenreiche von Karl May

Konkordanz dieser Texte

Durch die Wüste...
...und immer weiter

Aus der Werkstatt eines Erfolgsschriftstellers IV

Karl Mays Orient-Erzählungen sind im Bewusstsein der Öffentlichkeit durch den Mythos 'Winnetou' immer mehr in den Hintergrund gerückt worden. Dabei hat May mehr Orient- als Wildwest-Erzählungen geschrieben. Die "Gesammelten Reiseerzählungen" (später "Gesammelte Werke") beginnen mit dem Orient-Stoff "Durch die Wüste", und es folgen als Fortsetzungen fünf weitere Bände, bis dann in Band 7 erst Winnetou erscheint.

1891 ist ein äußerst ereignisreiches und bedeutendes Jahr im Leben Karl Mays. Der Autor und seine Frau Emma ziehen nach Oberlößnitz (heute ein Teil von Radebeul bei Dresden); am 28. Mai werden die Mays dort Opfer eines Einbruchs. In der Jugendzeitschrift "Der gute Kamerad" erscheint seit Oktober des Vorjahres "Der Schatz im Silbersee", dessen Veröffentlichung sich noch bis zum September 1891 hinstreckt, eine von Mays Jugenderzählungen, die später einmal zu den Topsellern May'scher Produktion gehören wird. Der Autor arbeitet für den "Kamerad" von Januar bis März an "Das Vermächtnis des Inka", in der Zeitschrift "Deutscher Hausschatz" erscheint zur gleichen Zeit "El Sendador" (später: "Am Rio de la Plata" / "In den Kordilleren"). May hat also reichlich zu tun und wird auch fleißig gedruckt. Das große Geld bedeutet das aber für den fast Fünfzigjährigen nicht, außerdem ist die Arbeitsbelastung hoch: May muss in manchen Wochen über 100 Manuskriptseiten abliefern und kann daher kaum vom Schreibtisch aufstehen. Trotz all der Mühe reicht das Geld hinten und vorne nicht, es gibt Zahlungsklagen, wie in den Jahren zuvor. Seine Frau Emma ist May nicht unbedingt eine Unterstützung, da sie es schätzt, das gesellschaftliche Leben zu genießen und sich - durchaus verständlich - nicht mit der Rolle des Heimchens am Herd begnügen will.

Zu dieser Zeit wird in Freiburg im Breisgau der Buchhändler und Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld (1853-1933) auf Karl May aufmerksam. In seinen Erinnerungen schreibt er kurz vor seinem Tod: "Im Jahre 1891, als jungem Buchhändler, kam mir der 'Deutsche Hausschatz' (Verlag Pustet, Regensburg) in die Hände. Ich stieß auf die Erzählung 'Im Schatten des Großherrn' von Karl May. Ich begann zu lesen und kam nicht mehr davon los. ...
D i e s e Erzählungen aus ihrer Zerstückelung in den Zeitschriften herauszuholen, sie in Bücher zu fassen und so der Jugend und dem ganzen Volk zu schenken, das war ein Gedanke, der mich nicht wieder losließ."

Fehsenfeld schreibt einen Brief an May. Dieser lässt sich - wie es so seine Art ist - erstmal Zeit und antwortet vier Monate später: "Soeben von einer meiner großen Reisen zurück, finde ich Ihren Brief vor. Kommen Sie!" Im Spätsommer 1891 treffen sich dann May und Fehsenfeld in Oberlößnitz, die Frucht dieses Treffens ist ein Vertrag zwischen Autor und Verleger über die Herausgabe von "Carl Mays gesammelte Reiseromane." Sogleich fließen Vorschüsse, so dass May lange anhängige Schuldforderungen bezahlen kann.

Die Buchausgabe beginnt im Mai 1892 mit dem Band "Durch Wüste und Harem", ein Titel der ab der vierten Auflage (1895) in "Durch die Wüste" abgeändert wird. Bis zum Jahresende erscheinen die fünf Folgebände des Orientzyklus "Durchs wilde Kurdistan", Von Bagdad nach Stambul", "In den Schluchten des Balkan", "Durch das Land der Skipetaren" und "Der Schut". Bis auf den Anhang des sechsten Bandes, in dem es um den Tod des Wunderpferdes Rih geht, handelt es sich um relativ alte Texte, deren Entstehung teilweise vor Mays Kolportagezeit zurückreicht. Daher müssen wir, um den Ursprung dieser Texte und die Umstände, unter denen sie geschrieben wurden, kennen zu lernen, ein ganzes Jahrzehnt zurück gehen.
1880: Karl und Emma haben im September kirchlich geheiratet, wohnen noch in der Kleinstadt Hohenstein, damals noch nicht offiziell verbunden mit Ernstthal. May ist seit drei Jahren nicht mehr Redakteur für den Dresdner Verleger Münchmeyer und müht sich als freier Schriftsteller ab. Seit 1879 schreibt er für die angesehene katholische Zeitschrift "Deutscher Hausschatz", aber auch für andere Periodika wie zum Beispiel "All-Deutschland", wo er den Roman "Scepter und Hammer" unterbringt. Während er noch an der Fortsetzung "Die Juweleninsel" arbeitet, beginnt er gegen Jahresende mit dem vorerst "Giölgeda padishanün" genannten großen Orientroman. Der Titel soll "Im Schatten (bzw. "Im Schutze") des Großherren" bedeuten, ist allerdings unkorrektes Türkisch. Wie auch immer, die beiden Reisenden Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar erleben ihre Abenteuer im Osmanischen Reich und müssen zwischen Tunesien und Albanien keine Grenze überqueren, da all diese Länder vom Padishah in Istanbul - mehr oder weniger - beherrscht werden. (Heutzutage würden 12 Grenzübergänge die Reise erschweren, teilweise sogar unmöglich machen.) Bereits hier, noch vor der Kolportagezeit, findet May seine spezielle literarische Form der Reiseerzählung und erschafft mit Halef die Figur, die ihm am besten gelungen ist. Im Januar 1881 beginnt der Abdruck im "Hausschatz".
Wir müssen aber noch mal kurz zeitlich zurückspringen, denn May arbeitet eine früher geschriebene Erzählung in den Orientroman ein: Unter dem Pseudonym M. Gisela veröffentlicht May 1876 die Erzählung "Leïlet" in der Zeitschrift "Feierstunden am häuslichen Heerde", ein Nachdruck erscheint in Peter Roseggers "Heimgarten" im folgenden Jahr unter dem Titel "Die Rose von Kahira". Rosegger ist überzeugt, dass May den Orient besucht hat, und äußert sich dementsprechend lobend über den Autor. Noch 1881 erfolgt ein weiterer Nachdruck, diesmal unter dem Titel "Entführt" in der Zeitschrift "Für alle Welt". Mays Pseudonym hier: Karl Hohenthal. Erst vor kurzem entdeckt wurde ein weiterer Nachdruck in der Zeitschrift "Deutsch-Amerikanischer Familienschatz" (1880), wiederum unter dem Titel "Die Rose von Kahira". (Vgl. Hermesmeier/Schmatz: "Deutsch-Amerikanischer Familien-Schatz" in Karl May & Co Nr.88.) Der Erzähler in "Leilet" ist in eine im Harem gefangen gehaltene Frau verliebt und verzichtet nach der Befreiung zu Gunsten seines Bruders auf sie, da ihre Liebe eben dem Bruder gilt. In der Umarbeitung 1880 sieht das ganz anders aus. Selbstlos rettet Kara ben Nemsi die Gefangene, die nun Senitza heißt, und führt sie Isla ben Maflei, ihrem Verlobten zu. Der "Ich"-Held bleibt auf Distanz zur Weiblichkeit und tritt bereits auf wie der Kara ben Nemsi bzw. Old Shatterhand in später geschriebenen Reiseerzählungen. Daher ist die allgemein gebräuchliche grobe Einteilung der May'schen Schaffensperioden eigentlich nicht korrekt. Dorfgeschichten/Humoresken, Kolportageromane, Reiseerzählungen, Alterswerk, so kategorisiert man Mays literarische Produktion allgemein. Aber bereits 1881 beginnt der Hausschatz mit dem Abdruck des Orientzyklus, einer veritablen Reiseerzählung, und erst im Herbst des nächsten Jahres erscheint die erste Lieferung des Kolportageromans "Das Waldröschen" (Siehe auch Karl May & Co. Nr.89), nachdem May wieder für den Verlag von Heinrich Gotthold Münchmeyer arbeitet. "Giölgeda Padishanün" ist nicht der ständige Titel des gesamten Orientzyklus, wie vielfach behauptet wird. Unter diesem Titel erscheinen erst einmal nur die Abenteuer, die später Band 1 ("Durch Wüste und Harem") und einen Teil von Band 2 der Fehsenfeld-Ausgabe ("Durchs wilde Kurdistan") ergeben werden. Erscheinungszeit ist zwischen Januar und September 1881. Es folgen die Fortsetzungen "Reise-Abenteuer in Kurdistan" (Oktober 1881 bis März 1882, Rest von Band 2), "Die Todes-Karavane" (Anfang von Band 3: "Von Bagdad nach Stambul"), "In Damaskus und Baalbeck" (November 1882 bis Januar 1883, Band 3) sowie "Stambul", (Februar/März 1883, weiterhin Band 3 bis Seite 550). Und hier, zwischen Stambul und Edirne/Adrianopel, muss May erst einmal Atem holen. Er schreibt inzwischen für Münchmeyer das "Waldröschen", es bleibt einfach nicht genug Zeit für den "Hausschatz". Der Autor ist völlig überarbeitet, sieht dies aber in seiner Autobiographie "Mein Leben und Streben" (1910) im Rückblick gar nicht so negativ: "Ich hatte einsehen müssen, dass es für mich kein anderes Glück im Leben gab, als nur das, welches aus der Arbeit fließt. [...] Dieser ruhelose Fleiß ermöglichte mir, zu vergessen, dass ich mich in meinem Lebensglück geirrt hatte und noch viel, viel einsamer lebte, als es vorher jemals der Fall gewesen war." Bittere Worte, die sich auf Mays Ehe mit Emma beziehen.

Der "Hausschatz" strickt inzwischen fleißig an der Identifikation von Held und Autor. "Der Verfasser der Reise-Abenteuer hat alle Länder, welche der Schauplatz seiner Erzählungen sind, selbst bereist", heißt es bereits in Beantwortung eines Leserbriefes im März 1881. "Unlängst ist er von einem Ausflug nach Rußland, Bulgarien, Konstantinopel etc. zurückgekehrt, und zwar mit einem Messerstich als Andenken." Es ist so für die "Hausschatz"-Redaktion immerhin möglich, das längere Schweigen Mays zu erklären. Im November 1883 liest man: "Dr. K. May ist wieder auf der Rückkehr nach Deutschland. Die Fortsetzung der Reiseabenteuer wird nun nicht mehr lange auf sich warten lassen." Allerdings dauert es noch bis 1885, dass diese Fortsetzung wirklich erscheint. Jetzt nimmt May den Titel Giölgeda Padishanün wieder auf und liefert mit dem Titel "Der letzte Ritt" den Text, der später Band 3 beenden wird. Weiter geht es aber erst mal wieder nicht. Verständlicherweise, denn am 15. April 1885 stirbt Mays Mutter. Selbst seine "Brotarbeit", den aktuellen Fortsetzungsroman "Die Liebe des Ulanen" für Münchmeyer, vernachlässigt May, so dass der Verleger die Lücke mit einem nicht in den Zusammenhang gehörenden May-Text füllen muss. Und der "Hausschatz" wird langsam wirklich ungeduldig.
"Es ist uns höchst peinlich, daß abermals - und ganz gegen unsere Erwartungen - eine Unterbrechung in der Reiseerzählung 'Der letzte Ritt' eingetreten ist. Leider haben wir bis jetzt das fehlende Manuscript noch nicht erhalten und entbehren zur Zeit jede Nachricht von dem Verfasser", entschuldigt sich der "Hausschatz" im Juni 1886. Erst im September des selben Jahres geht es weiter mit dem "Letzte[n] Ritt". May beendet den Orient-Roman allerdings erst 1887/88 mit "Durch das Land der Skipetaren" (später Band 5 unter dem gleichen Titel sowie Band 6 "Der Schut" ohne Anhang), Texte, die er ziemlich kontinuierlich verfasst. Die Zusammenarbeit mit Münchmeyer hat er im Sommer 1887 beendet, er kann sich endlich mit ganzem Herzen seiner Reiseerzählung widmen.
Wir sind wieder zurück im Jahre 1892, May hat am 17. November des Vorjahres mit Fehsenfeld den Vertrag geschlossen, der beiden großen Erfolg bringen wird. Die Orienterzählung wird von May für die Buchausgabe nur wenig bearbeitet, allerdings ist für den sechsten Band ("Der Schut") nicht genug vorhanden. Besitzen die Bände 1 bis 5 jeweils über 600 Seiten, reicht es beim "Schut" nur bis Seite 535. Daher schreibt May den Anhang mit der Schilderung von "Rihs Tod" neu hinzu und erhöht damit die Seitenzahl auf 645. Mit dem Erscheinen von "Der Schut" bei Fehsenfeld am 14. November 1892 liegt der Orientroman zum ersten Mal komplett in Buchform vor. Um die Auflagenentwicklung deutlich zu machen, schauen wir uns einmal ein paar Zahlen für "Durch Die Wüste" an: 1912, im Todesjahr von Karl May liegt sie beim 71. bis 73. Tausend, der Fehsenfeld-Nachfolger Karl-May-Verlag (KMV) verzeichnet für 1932 das 201. bis 217. Tausend. Heute ist der KMV beim 2.460. Tausend angelangt. Die Auflage der anderen Bände beträgt heute: "Durchs wilde Kurdistan": 2.215 Tausend, "Von Bagdad nach Stambul": 1.989 Tausend, "In den Schluchten des Balkan": 1.877 Tausend, "Durch das Land der Skipetaren": 1.851 Tausend, "Der Schut": 2.129 Tausend. Mays größter Erfolg, "Winnetou I", übertrifft diese Zahlen mit 3.783 Tausend bei weitem, trotzdem kann man mit gutem Grunde die große Orienterzählung als den "Grundstein" der Gesammelten Werke ansehen.

Rolf Dernen

Dieser Beitrag stammt mit freundlicher Genehmigung des Autoren und der Redaktion aus "Karl May & Co.", dem Karl-May-Magazin.