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Essay "Quitzows"

Daten

TitelQuitzows
AutorRolf Dernen

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TitelUntertitelKurzbemerkung
Der beiden Quitzows letzte FahrtenHistorischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern von Karl May
Fürst und Junker Vorgängerroman von "Der beiden Quitzows letzte Fahrten"

Konkordanz dieser Texte

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Aus der Werkstatt eines Erfolgsschriftstellers XI

Ein Ritterroman von Karl May? Das ist eine seltsame Vorstellung für den an Wildwest- und Orientgeschichten gewöhnten Leser. Aber unser Autor fand sich in den unterschiedlichsten Sujets zurecht, insbesondere dann, wenn er finanziell schlecht gestellt war. Und rosig war Mays Situation im Jahre 1876 nicht, als in einem Zeitschriftenabdruck das Werk erschien, das man als Mays ersten Roman bezeichnen kann. ?Feierstunden am häuslichen Heerde. Belletristisches Unterhaltungs-Blatt für alle Stände? lautet der komplette Name des von Heinrich Münchmeyer herausgegebenen Blattes. May ist seit März 1875 Redakteur im Hause Münchmeyer, ein knappes Jahr vorher war er aus dem Zuchthaus Waldheim entlassen worden. Die Redakteursstelle ist für den mehrfach Vorbestraften die vielleicht letzte Möglichkeit, mit immerhin schon 33 Jahren eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Und May legt sich ins Zeug! Er gründet u.a. die Zeitschrift ?Schacht und Hütte?, geht damit sogar auf Promotions-Tour und schreibt seine erste Indianererzählung ?Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling?, veröffentlicht in den oben erwähnten und ebenfalls von ihm gegründeten ?Feierstunden?.
In der Autobiographie ?Mein Leben und Streben? schreibt May über seine Redakteurszeit: Was den ?Beobachter an der Elbe? betrifft, dessen Redaktion ich übernommen hatte, so sah ich gleich mit dem ersten Blick, daß er verschwinden müsse. Münchmeyer war so vernünftig, dies zuzugeben. Wir ließen das Blatt eingehen, und ich gründete drei andere an seiner Stelle, nämlich zwei anständige Unterhaltungsblätter, welche ?Deutsches Familienblatt? und ?Feierstunden? betitelt waren, und ein Fach- und Unterhaltungsblatt für Berg-, Hütten- und Eisenarbeiter, dem ich die Ueberschrift ?Schacht und Hütte? gab. Diese drei Blätter waren darauf berechnet, besonders die seelischen Bedürfnisse der Leser zu befriedigen und Sonnenschein in ihre Häuser und Herzen zu bringen.?

Im ?Deutschen Familienblatt? erscheint nun ein Ritterroman von Friedrich Axmann (1843-1876?) mit dem Titel ?Fürst und Junker. Historischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern?, redaktionell betreut von Karl May.
Der Abdruck beginnt mit der Nr. 1 und endet mit Nr. 50 des ersten Jahrganges (1875/76). Es ist eine Fortsetzung geplant, denn bereits in Heft Nr. 49 liest man in einer Fußnote: Denjenigen Lesern des ?deutschen Familienblattes?, welche sich mit den späteren Lebensschicksalen Dietrichs von Quitzow bis zu seinem Tode bekannt zu machen wünschen, dürfte die Nachricht nicht unwillkommen sein, daß der Autor dieses Thema zum Gegenstande eines ebenso fesselnden, wie ergreifenden Romans: ?Dietrichs von Quitzow letzte Fahrten? gewählt hat, welcher in Nummer 20 der diesjährigen ?Feierstunden am häuslichen Heerd?, einer im Münchmeyerschen Verlage erscheinenden belletristischen Zeitschrift, beginnen wird.

Dieses Versprechen wird nur zum Teil eingelöst. Es erscheint unter dem Titel ?Der beiden Quitzows letzte Fahrten? wirklich eine Fortsetzung zu Axmanns Roman, allerdings bereits in Nr. 10 der ?Feierstunden?, und der Name des Autors lautet Karl May. Eine Fußnote gibt genauere Auskunft: Den von allen Seiten auf uns eindringenden Wünschen unserer verehrten Abonnenten zufolge beginnen wir schon mit der heutigen Nummer diese in No. 49 des ?deutschen Familienblattes? angekündigte Fortsetzung des Friedrich Axmannschen Romanes ?Fürst und Junker?. Wir erfüllen unser Versprechen in der Überzeugung, daß die ?letzten Fahrten? in jeder Beziehung sich des Beifalles der Leser erfreuen werden. Der Untertitel ?Historischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern? bleibt übrigens der gleiche wie beim Axmann-Roman. Warum Axmann sein Werk nicht selbst fortführt ist unbekannt.
Möglicherweise nimmt ihn die Arbeit am Roman ?Das Testament des großen Kurfürsten?, der ab Oktober 1876 im ?Deutschen Familienblatt? erscheint, zu sehr in Anspruch. Vielleicht liegt auch eine Erkrankung Axmanns vor, dessen Tod im gleichen Jahr vermutet wird, bisher aber noch nicht bewiesen werden konnte. Der einzige Beleg für Axmanns Ableben ist eine redaktionelle Anzeige in den Nummern 52 und 53 des ?Deutschen Familienblattes?, die besagt, dass Herrn Friedrich Axmann, mitten im Schaffen und im ersten Mannesalter? der unerbittliche Tod ereilte. Den ?Kurfürsten?-Roman beendet er nicht selbst, wie wir im Folgenden sehen werden.

Für May eröffnet sich auf jeden Fall hier die Möglichkeit, einen längeren eigenen Text abzuliefern. Er hat unter anderem in den vorher gehenden Ausgaben der ?Feierstunden? mit der Orientnovelle ?Leilet? (unter dem Pseudonym ?M. Gisela?) und der Humoreske ?Im Wollteufel? sein erzählerisches Geschick bewiesen, die erste Erzählung mit Winnetou erscheint im ?Deutschen Familienblatt? (?Old Firehand?), und Münchmeyer traut ihm offensichtlich zu, das Axmannsche Garn weiter zu spinnen. Für den in den Jahren 1411 bis 1414 spielenden Ritterroman greift May ebenso wie sein Vorgänger auf das Werk ?Die Mark Brandenburg unter Kaiser Karl IV bis zu ihrem ersten Hohenzollerschen Regenten, oder: Die Quitzows und ihre Zeit? (Berlin 1837) von Karl Friedrich Klöden zurück. Die erzählerisch aufgelockerte Form dieses vierbändigen Werkes kommt May sehr entgegen. Er muss sich nicht mit wissenschaftlichen, langatmigen Abhandlungen herumschlagen und übernimmt auch schon mal gerne die eine oder andere Passage ohne große Änderung. Auch aus ?Fürst und Junker? übernimmt May fast wörtlich Textteile, so zum Beispiel die Beschreibung des alten Kämpen Kaspar Liebenow.
Zum Zeitpunkt der Niederschrift seines einzigen Ritterromans hat May allerdings schon mit Münchmeyer gebrochen. Der ?Quitzow?-Text entsteht im Wesentlichen innerhalb der einzuhaltenden Kündigungsfrist.

Mays Kündigung des Redakteurpostens mag darin begründet sein, dass der nicht allzu angesehene Verlag immer mal wieder Probleme mit der Justiz bekommt, was dem erst im Mai 1876 aus Polizeiaufsicht entlassenen Redakteur nicht angenehm sein kann. Und der Versuch von Münchmeyers Frau Pauline, ihn mit ihrer Schwester Minna Ey zu verheiraten, ist May alles andere als recht. Immerhin hat er just zu der Zeit, in welcher der ?Quitzow?-Roman zu erscheinen beginnt, Emma Pollmer näher kennengelernt, die Frau, die er vier Jahre später heiraten wird. Was auch immer der genaue Grund für Mays Trennung von Münchmeyer ist, den ?Quitzow?-Roman beendet er auf jeden Fall nicht und scheidet im März 1877 aus dem Verlag aus. In der Nummer 29 der ?Feierstunden?, erschienen im gleichen Monat, liest man als Verfasserangabe der Romanfortsetzung: ?begonnen von Karl May, fortgeführt von Dr. Goldmann. Von Dr. Heinrich Goldmann ist wenig bekannt. Geboren 1841 in Liegnitz, stirbt er bereits am 9. Mai 1877 in Dresden, hinterlässt aber so viel Manuskript, dass der Roman zu einem plausiblen Ende gelangen kann. Auch den von Axmanns unvollendeten ?Kurfürsten?-Roman schreibt Goldmann weiter.

Mays Redakteurszeit ist zu Ende. Er wird von nun an als freier Schriftsteller arbeiten, aber Münchmeyer wird auch weiterhin eine bedeutende Rolle in seinem Leben spielen.

?Der beiden Quitzows letzte Fahrten? erlebt lange Zeit keine Neuauflage und gerät in Vergessenheit. Wiederentdeckt wird der Roman erst um 1928 vom Leiter des Karl-May-Verlages (KMV) Euchar Albrecht Schmid, der ihn 1933 seinem bewährten Mitarbeiter Franz Kandolf zur Bearbeitung für die Gesammelten Werke übergibt.
Kandolf teilt den Text in drei Einzelerzählungen auf und schreibt einen neuen Schluss hinzu. Unter dem Titel ?Ritter und Rebellen? erscheint diese Bearbeitung allerdings erst 1960 als Band 69 der Gesammelten Werke.
Axmanns ?Fürst und Junker? wird als Reprint 1990 von der KMG-Presse in Ubstadt durch Karl Serden wiederveröffentlicht, eine Ausgabe in Neusatz hat seit 2001 der KMV in einer dreibändigen Ausgabe im Programm. 1972 erscheint Mays ?Quitzow?-Roman als Reprint der Karl-May-Gesellschaft in kleinformatigen Fortsetzungen, 1994 daselbst noch einmal im Großformat. Eine zeichengetreue Buchausgabe des Erstdruckes kam 1992 im Rahmen der Historisch-Kritischen May-Ausgabe im Haffmans Verlag heraus. Eine zweibändige Ausgabe von Mays Ausflug in die Ritterzeit schließlich gibt es derzeit beim Weltbild-Verlag.

Rolf Dernen

Literatur:
Siegfried Augustin: ?Der beiden Quitzows letzte Fahrten?- Karl Mays literarisches Gesellenstück. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1991. Hamburg, KMG, 1991, S.250-286
Siegfried Augustin: Einleitung. In: Karl May. Feierstunden am häuslichen Heerde. Reprint der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1994
Roland Schmid u. a.: Vorwort. In: Karl May?s Gesammelte Werke · Band 69 · Ritter und Rebellen. Bamberg · Radebeul, Karl-May-Verlag, 1960ff.
Hermann Wiedenroth / Hans Wollschläger: Editorischer Bericht. In: Karl Mays Werke · Historisch-Kritische Ausgabe · Abteilung I Frühwerk · Band 4 · Der beiden Quitzows letzte Fahrten · Historischer Roman von Karl May. Zürich, Haffmans Verlag, 1992, S. 677ff.

Dieser Beitrag stammt mit freundlicher Genehmigung des Autoren und der Redaktion aus "Karl May & Co.", dem Karl-May-Magazin.