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Essay "Satan und Ischariot"

Daten

TitelSatan und Ischariot
AutorRolf Dernen

Zugeordnete Texte

Konkordanz dieser Texte

TitelUntertitelKurzbemerkung
Die Felsenburg Zeitschriftenfassung
Die Jagd auf den Millionendieb Zeitschriftenfassung
In der Heimath 
Krüger-Bei Zeitschriftenfassung
Satan und Ischariot 1 
Satan und Ischariot 2 
Satan und Ischariot 3 

Konkordanz dieser Texte

Satan und Ischariot

Aus der Werkstatt eines Erfolgsschriftstellers VIII

"Ich habe Korrekturen und Kürzungen nie geduldet. Der Leser soll mich so kennen, wie ich bin, mit allen Fehlern und Schwächen, nicht aber wie der Redakteur mich zustutzt." So schreibt Karl May in seiner Autobiographie MEIN LEBEN UND STREBEN (1910).
Trotzdem übernahm der Autor die radikale Kürzung eines Zeitschriftenredakteurs in die spätere Buchausgabe, obwohl er die Chance gehabt hätte, den ursprünglichen Text wiederherzustellen.

Zwischen Mai 1891 und dem August des darauf folgenden Jahres schreibt Karl May den Text einer abenteuerlichen Ich-Erzählung für die Zeitschrift DEUTSCHER HAUSSCHATZ, deren drei Teile mit DIE FELSENBURG, KRÜGER BEI und DIE JAGD AUF DEN MILLIONENDIEB überschrieben sind, ohne dass es einen gemeinsamen Obertitel gibt. Es ist die Zeit des Umbruchs. Noch quälen Schulden den hart arbeitenden Autor, der immerhin schon auf die fünfzig Lebensjahre zugeht. Aber im Spätsommer 1891 kommt es zur ersten Begegnung mit dem Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld, in deren Folge die ersten Bände der GESAMMELTEN REISEROMANE (später: REISEERZÄHLUNGEN) erscheinen. Die wirtschaftliche Situation des Ehepaares Karl und Emma May verbessert sich innerhalb kurzer Zeit.
Relativ spät nach der Niederschrift, nämlich erst im September 1893, beginnt der HAUSSCHATZ mit dem Abdruck der FELSENBURG, der ziemlich genau ein Jahr später beendet ist. KRÜGER BEI läuft von September 1894 bis März 1895. Dann folgt erst einmal eine Pause, bis es im September 1895 mit der JAGD AUF DEN MILLIONENDIEB WEITERGEHT, ein Titel, der wahrscheinlich nicht von May selbst stammt. Das erhaltene Manuskript trägt nämlich an dieser Stelle den Zwischentitel "Cap 3. / Schluss."; die Überschrift des Krüger-Bei-Abschnittes lautet im Manuskript "Erstes Capitel. / In der Heimath". Man kann also daraus schließen, dass May für KRÜGER BEI und DIE JAGD AUF DEN MILLIONENDIEB einen gemeinsamen Titel vorgesehen hat.
Kleinere Eingriffe der HAUSSCHATZ-Redaktion in Mays Texte hat es ? branchenüblich - immer wieder gegeben, aber was mit KRÜGER BEI passiert, ist doch ungewöhnlich. Am 30. November 1895 schreibt der Redakteur Heinrich Keiter an May: "An der Felsenburg habe ich nur wenige Blätter, dagegen in Krüger Bei die ersten 300 Seiten mit Ihrer gütigen Erlaubnis ausgelassen; ich habe alles zurückgelegt, um es Ihnen gelegentlich wieder zugehen zu lassen." Mal davon abgesehen, dass es tatsächlich sogar 444 Seiten sind, dies ist ein ziemlich großer Eingriff. May ist berechtigterweise verstimmt und teilt dem Verleger Friedrich Pustet mit, in Zukunft kein Manuskript mehr senden zu wollen. Der Beschwichtigungsbesuch von Pustets Bruder Karl bleibt erfolglos. Erst dem wirklich Verantwortlichen, Heinrich Keiter selbst, gelingt es, May umzustimmen, indem er den Autor um Verzeihung bittet.

Um welchen gestrichenen Text handelt es sich eigentlich? Bekanntlich ist die in der späteren Buchausgabe SATAN UND ISCHARIOT genannte Romantrilogie eine "klassische" Reiseerzählung, die sogar den Schauplatz wechselt und von Amerika nach Nordafrika springt. Dies erinnert übrigens an Mays Münchmeyer-Romane, die ja - ganz speziell das WALDRÖSCHEN - schon mal auf verschiedenen Kontinenten spielen. Selbst in Deutschland ist ein Kapitel von SATAN UND ISCHARIOT angesiedelt, man erinnere sich an die skurrile Szene mit Winnetou im Dresdner Gesangsverein. Und eben in Deutschland spielt auch das IN DER HEIMATH überschriebene Kapitel, das Keiter erst zu kürzen versucht, dann aber fast völlig entfernt. Dem Redakteur waren die humorvollen Passagen über einen verschrobenen deutschen Linguisten und die Romanze zwischen Martha Vogel und dem Ich-Erzähler wohl für einen Abenteuerroman unpassend vorgekommen. Am heute noch erhaltenen Manuskript lässt sich feststellen, dass Keiter erst nach umfangreichen Kürzungsversuchen die ganze Geschichte verworfen hat.
Nun, rückgängig lässt sich die Streichung nicht mehr machen, der gekürzte Text ist längst im HAUSSCHATZ erschienen. Im Herbst 1896 kündigt May seinem Verleger Fehsenfeld in einem Brief an ??Satan und Ischariot? in Angriff zu nehmen, 3 Bände, also Band 20-22.? Es ist der Höhepunkt von Mays "Renommierzeit". Die Old-Shatterhand-Legende ist in aller Munde, im Frühjahr hat sich May Silberbüchse und Bärentöter von dem Dresdener Büchsenmacher Max Fuchs anfertigen lassen und posiert mit diesen und anderen Waffen für Kostümfotos in orientalischen und Wildwest-Verkleidungen. Die Villa "Shatterhand." wird bezogen und mit exotischen Gegenständen ausgestattet, und der Autor erscheint im dritten Band des Romans OLD SUREHAND auf einem Titelporträt als ?Old Shatterhand (Dr. Karl May) mit Winnetous Silberbüchse?.
Für die Buchausgabe wäre es May ohne große Probleme möglich gewesen, das "Heimath"-Kapitel wieder einzufügen. Es hätte den Umfang der drei Bände SATAN UND ISCHARIOT nicht gesprengt. Trotzdem belässt es der Autor bei einigen Korrekturen und Überleitungen, um Unstimmigkeiten auszumerzen. Die Buchausgabe des ersten Bandes erscheint kurz vor Weihnachten 1896, zweiter und dritter Band folgen im März bzw. Juli des nächsten Jahres. An der Quasi-Billigung von Keiters Kürzung ändert sich zu Mays Lebzeiten nichts. Weder in einer späteren Auflage der grünen Fehsenfeld-Bände noch in der ab 1907 erscheinenden blauen illustrierten Ausgabe korrigiert May diesen Eingriff, der immerhin fast zum Bruch mit dem HAUSSCHATZ geführt hat.
SATAN UND ISCHARIOT wird nach Mays Tod auch in den Radebeuler und Bamberger Ausgaben des Karl-May-Verlages (KMV) nicht ergänzt. Die drei Bände erhalten allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg Einzeltitel, wobei man bei den ersten beiden (DIE FELSENBURG, KRÜGER BEI) wieder auf die Hausschatz-Titel zurückgreift. Für den dritten Band verwendet man SATAN UND ISCHARIOT, der auch als Obertitel der Trilogie erhalten bleibt.

1927 erfährt auch das gestrichene Heimat-Kapitel eine gewisse Würdigung. Franz Kandolf, herausragender Mitarbeiter des Karl-May-Verlages, bearbeitet den Text für Band 47 der Gesammelten Werke (GW) und macht daraus die zwei Erzählungen PROFESSOR VITZLIPUTZLI und WENN SICH ZWEI HERZEN SCHEIDEN. Der bei May namenlose Linguist erhält von Kandolf den Spitznamen "Vitzliputzli" als Anspielung auf die Vorliebe des Gelehrten für altindianische Sprachen. "Vitzliputzli" ist eine Verballhornung des aztekischen Gottes Huitzilipochtli, die unter anderem auch Heinrich Heine verwendet hat. Mays Originaltext bleibt allerdings noch ganze 70 Jahre unveröffentlicht, bis sich der KMV 1997 endlich entschließt, ihn in Band 79 GW zu veröffentlichen, und zwar an herausragender Stelle, nämlich als Titelgeschichte OLD SHATTERHAND IN DER HEIMAT und gibt dem ganzen Band seinen Namen. Man kann innerhalb der gesammelten Werke den Vergleich anstellen, welche Fassung einem besser gefällt, die Kandolfsche oder die von May selbst. Letztlich kann man es aber drehen und wenden wie man will: Vitzliputzli stammt nun mal nicht von dem Autor, um den es uns geht, nämlich Karl May.

Rolf Dernen

Literaturverzeichnis


Volker Griese: KARL MAY. CHRONIK SEINES LEBENS. Husum. Husum Druck- & Verlagsgesellschaft, 2001
Wolfgang Hermesmeier/Stefan Schmatz: KARL-MAY-BIBLIOGRAFIE 1913-1945 . Bamberg / Radebeul , Karl-May-Verlag. 2000.
Karl May: OLD SHATTERHAND IN DER HEIMAT. Bamberg / Radebeul, Karl-May-Verlag 1997
Karl May: SATAN UND ISCHARIOT III Freiburg 1897. Anhang zur Reprint-Ausgabe. Reprint, Bamberg, Karl-May-Verlag 1983.
Hainer Plaul: ILLUSTRIERTE KARL-MAY-BIBLIOGRAPHIE. München, K.G. Saur. 1989.
Dieter Sudhoff, Hartmut Vollmer (Hg.): KARL MAYS "SATAN UND ISCHARIOT". Paderborn, Igel Verlag Wissenschaft, 1999.

Dieser Beitrag stammt mit freundlicher Genehmigung des Autoren und der Redaktion aus "Karl May & Co.", dem Karl-May-Magazin.