Eintrag von Rüdiger (vom 11.3.2006) (weitere Einträge von Rüdiger)
Diese Geschichte führt uns nach Gartow, immerhin ein Ort, an dem Karl May nach meinem Dafürhalten eines der zahlreichen Schock-Erlebnisse seines Lebens widerfuhr, und nicht, wie offenbar seichtere Gemüter das zu sehen und zu beschreiben pflegen, eine „lustige Episode“.
Daß der Alte (Dessauer) unleserlich schreibt, sein eigenes Gekrakel nicht lesen kann, und sich bös darüber beschwert, weil er in dem Moment nicht weiß, dass das seine eigene Schrift ist, das ist ja noch halbwegs lustig, dass er auch, nachdem man ihn darauf aufmerksam gemacht hat, bei Wut und Ungerechtigkeit bleibt, ist eher etwas einfallslos seitens des Autors und beschreibt nur Willkür und Machtmissbrauch, ganz ohne sympathische Züge dabei. Hier übt Karl May noch, unverkennbar; von Charme, Witz und Reiz späterer Texte ist nur sporadisch mal etwas zu bemerken.
Immerhin gibt es eine für Karl Mays Verhältnisse recht emanzipierte Anna in dieser Geschichte, ein überraschender kleiner Lichtblick.
Schein und Sein, Verkleidungen, Austauschbarkeit, einmal mehr Karl Mays Thema. Makaber: der inkognito reisende Fürst soll festgehalten werden in Gartow, seinem Autor geschieht später am selbigen Ort gleiches.
Insgesamt stört mich an den Dessauer-Geschichten, dass Karl May sich hier scheinbar von einer plumpen Ruckzuck-Mentalität und unsensiblen Grobheit zeigt (durch den Blickwinkel seiner Hauptfigur freilich), die gar nicht zu ihm passt. Die ebenfalls frühen Dorfgeschichten wirken viel feinfühliger.
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