Eintrag von Rüdiger (vom 5.8.2005) (weitere Einträge von Rüdiger)
Für eine Marienkalender-Geschichte fängt diese Erzählung noch ganz nett an, gewürzt mit der charmanten Ironie, die unser Autor beherrschte wie kein zweiter. Sein Diener zählt die Tugenden, Fähigkeiten und Privilegien seines Herrn auf, und da erfahren wir auch: „die sechsunddreißig Frauen, welche er besitzt, sind folgsam, lieblich und nach Ambra duftend wie die Blumen des Paradieses.“ Da hat er der Marienkalender-Klientel, die er vermutlich im Grunde seines Herzens insgeheim verachtete, so nebenbei ein nettes kleines Kuckucksei ins Nest gelegt.
Dann folgt einmal mehr eine Abenteuergeschichte in der Wüste um verräterische Führer und Ins-Verderben-gelockt-werden, ein Kind in einer Sänfte spielt eine größere Rolle. Dessen »En' taijib - du bist gut!« beeindruckt ihn offenbar nachhaltig, und er wird nicht müde, es zu zitieren.
Daß die Moslems nur vom Christen die Rettung des auf dem Salzsee zu versinken drohenden Knaben erwarten („Ihr Christen wißt alles; ihr kennt alle Höhen und Tiefen der Möglichkeit; eure Augen erblicken das Unsichtbare“), wirkt äußerst unglaubwürdig, als der Erzähler sie dann gar zwingt, christlich zu beten, und ihnen erst dann hilft, wird es perfide und abstoßend.
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»Habt ihr vorhin gesagt: Muhammed kebir, so ruft jetzt dreimal: Isa Ben Marryam akbar!«
Da wendete er sich an seine Leute:
»Ihr habt gehört, was dieser Sihdi von uns fordert. Muhammed hat selbst gesagt, daß Isa Ben Marryam alle Lebendigen und alle Toten richten werde; er ist also der Herr des Gerichtes und des ewigen Lebens. Stimmt mit mir dreimal ein in den Ruf: Isa Ben Marryam akbar!«
Ich hatte viel, ja mehr als zu viel verlangt; aber die Angst um den Knaben erfüllte alle Anwesenden, und so erhoben sie wie vorhin die Hände, und es erklang dreimal der Ruf im Chore, der noch bei keinem von ihnen über die Lippen gekommen war.
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Die Geschichte gehört ursprünglich in den Band „Auf fremden Pfaden“ und ist in originalen Ausgaben (Reprint, Weltbild, Haffmans usw.) auch nach wie vor dort enthalten, in den „Gesammelten Werken“ ist sie in Band 10 gewandert und gibt diesem Band als „Sand des Verderbens“ den Titel.
Eintrag von JamesDean (vom 18.8.2008) (weitere Einträge von JamesDean)
eine der besseren marienkalender-geschichten: die grundidee mit sandsturm und treibsand finde ich ganz gelungen...
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