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Text-Rezensionen

zum Text: Die Jagd auf den Millionendieb, Manuskriptfassung

Lesevergnügen 1 Punkt 1 Punkt 1 Punkt 1 Punkt kein Punkt
Information über Land und Leute 1 Punkt kein Punkt kein Punkt kein Punkt kein Punkt
Biografische Bedeutung 1 Punkt kein Punkt kein Punkt kein Punkt kein Punkt


Eintrag von thoschw (vom 15.8.2005)

Das Manuskript zu „Die Jagd auf den Millionendieb“ ist eine der wenigen Handschriften, die Karl May nach dem Abdruck seiner Texte vollständig wiedererlangte. Im Vergleich mit der im „Hausschatz“ abgedruckten Fassung zeigt sich, daß Mays ursprünglicher Text stellenweise eingekürzt wurde. Bislang wurde von dem Manuskript jedoch nur die „Floh-Passage“ im KMV-Sonderband „Der geschliffene Diamant“ (S. 190-203) vorgestellt. Wie Christoph F. Lorenz in seinem begleitenen Artikel „O diese Herren Redakteure!“ anmerkt, ist die dieser Auszug aber wohl nur ein „exemplarisch (...) ausgewähltes Beispiel“ einer solchen redaktionellen Streichung, eine Veröffentlichung aller derartig gestrichenen Textzeilen, also am besten gleich ein vollständiger Druck des gesamten Manuskriptes scheint also angezeigt.

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„Wenn der Leser eine Reisebeschreibung behaglich in seinem Schaukelstuhl sitzt, ohne daß es ihn an zwanzig Stellen seiner reinen Haut juckt und brennt, so wünscht er wohl, mit dabei sein zu können. Aber es giebt eben Dinge, welche der Verfasser nur sehr vorsichtig oder gar nicht berühren und erwähnen darf (...)“

Bekanntermaßen blendet May in seinen Erzählungen die weniger ästhetischen der alltäglichen Seiten im Leben eines Welt- und Wildnisreisenden aus. So erfährt der Leser etwa nichts darüber, wie ein Westmann seine Notdurft verrichtet, eine Thematik freilich, die generell in gleichartigen Abenteuergeschichten übergangen wird.. Aber auch andere unangenehme Aspekte im täglichen Leben eines Westmannes werden eher selten thematisiert, und so ist es schon eine Ausnahme, wenn sich Karl May hier einmal nicht mit den großen Tieren sondern den eher lästigen kleinen Kreatürchen beschäftigt:

Die „Floh-Passage“ beginnt zwar etwas weitschweifig, doch der durchweg ironische Grundton macht den ausgelassenen Text zu einem kleinen Juwel. Inhaltlich geht dabei darum, daß die Blutsbrüder die fest entschlossene Martha Vogel davon überzeugen wollen, sich nicht an der Verfolgung der Meltons zu beteiligen. Old Shatterhand schiebt diese diplomatisches Feingefühl erfordernde Aufgabe erst einmal seinem Blutsbruder Winnetou zu, der die Taktik verfolgt, die Sängerin durch in der Wildnis drohenden Floh-Befall abzuschrecken, wobei allerdings die konkrete Nennung des Tiernamens aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen tabusiert zu sein scheint.

Jedenfalls vergleicht der Apache zunächst erst einmal umständlich die unterschiedlichen Arten der lieben kleinen Tierchen „Weißen, Roten und Negern“, was durchaus seltsam anmutet. Dann glänzt er mit seinen frisch erworbenen Arabischkenntnissen, indem er lässig ein „Barrut“ in seine Rede einfließen läßt und wälzt schließlich den „undelikatesten Theil seiner Erklärung“, nämlich die Übersetzung dieses „Barrut“, auf Old Shatterhand ab. Dieser druckst ebenfalls herum und versucht sich dann diplomatisch mit einer alphabetischen Rätselausgabe: „Wenn Sie den sechsten, elften, vierzehnten und achten Buchstaben zusammensetzen, wissen Sie, was es heißt.“ [I & J werden, wie damals z.T. üblich, als ein Buchstabe angesehen]

Nachdem nun dieses aus unerfindlichen gründen scheinbar unaussprechliche Tierchen nun von Martha entschlüsselt und wie von den Westmänner erhofft mit schamhaften Erröten quittiert wurde, wird der Apache dann bzgl. weiteren Kleingetiers, welches da durch die Wildnis kreucht und fleucht, durchaus deutlicher: „Dazu kommen Schlangen, Eidechsen, Skorpione, große Spinnen, Stechmücken, wenn man im Freien lagert. Und wenn man durstet und kein anderes Wasser hat, muß man aus Pfützen trinken, in denen Würmer und Blutegel schwimmen. Will meine Schwester noch mit uns reiten?“

Iiiiiiiiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhhhhhh-git!

Natürlich nicht. Keiter mochte aber auch nicht. May schlägt zwar noch diplomatisch vor: „Wer nicht sehr ästhetisch angelegt ist, kann die wenigen Zeilen ja überschlagen - - nachdem er sich von ihren unästhetischen Inhalte genau überzeugt hat.“ Aber eben gerade dies hat Keiter gemacht, und dabei die Ausführungen für zu delikat befunden, als daß er sie seiner katholischen Leserschaft vorsetzen könnte.

 
DER GESCHLIFFENE DIAMANT (1-einzige))