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Band-Rezensionen

Band: Der Krikelanton 1

Verlag: Weltbild Verlag Augsburg
Reihe: Weltbild Sammler-Edition

Eintrag von Rüdiger (vom 22.12.2007) (weitere Einträge von Rüdiger)

In Dostojewskis „Der Idiot“ gibt es die Figur des Fürst Myschkin und die des Kaufmanns Rogoschin, scheinbar zwei Menschen, die man gegensätzlicher sich nicht vorstellen kann. Unschuld, eine gewisse Naivität, „reines Herz“, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit hier, schamfreie Sinnlichkeit, „Verderbtheit“, moralische Maßlosigkeit dort.

Nun kann man als aufgeschlossen geneigter Leser indes sich die beiden Herren als eine Figur vorstellen, in zwei Anteils-Einheiten aufgespalten, ähnlich wie bei Faust und Mephisto, Jack Londons Larsen und van Weyden oder Stevensons Jekyll und Hyde, wobei es im letzteren Fall ja auch ganz tatsächlich nur einer ist.

Karl May bringt gelegentlich unterschiedliche Welten gleich in einer Figur unter, die er sich wandeln lässt, denken wir an Abu Kital. Und „so einer“ ist eben auch der Mensch, der diesem Band den Namen gab, nämlich Anton Warschauer alias Krikelanton. Der ist, am Anfang (des Romans, nicht des Bandes), obwohl Wilderer, von rührend unschuldigem Gemüt und von „reinem Herzen“; später sehen wir ihn als versoffenen Lüstling, dem Ruhm und Geld zu Kopf gestiegen sind und der auch mal bereit ist, Gewalt anzuwenden, um sich eine Frau gefügig zu machen. Am Ende des mehrbändigen Romans kommt er dann auf vielleicht etwas eigenartig anmutende Art und Weise (Wiederbegegnung mit seinen vernachlässigten Eltern) zur schmerzlichen Einsicht, dass er mit alledem sich selbst vielleicht am meisten geschadet hat (Moralisch sei, wenn man sich hinterher gut fühle, unmoralisch, wenn man sich hinterher schlecht fühle, äußerte Hemingway; denn wahrlich, sie haben schon ihren Lohn steht noch wieder woanders).

Unschuld, Reinheit und moralischer Abgrund, „Gut“ und „Böse“ in einer Person, durchaus und eindeutig vorhanden in einem belächelten, nahezu unbekannten Kolportageroman Karl Mays, selbst von May-Kennern so offenbar kaum wahrgenommen, die sehen oft durch eine Art Schleier von Nebensächlichkeiten wie unbestreitbarem Kitsch, unkorrektem, komisch wirkenden Dialekt und anderen formalen Schwächen vielleicht nicht richtig hindurch und bleiben bei derlei Vordergründigkeiten sozusagen hängen. Oder aber sie beschäftigen sich mit Jahreszahlen, geschichtlichem Kontext oder sonst noch etwas, was ja durchaus auch interessant sein mag, aber für sich alleine ein bisschen wenig ist. Karl May ist durchaus mehr als Kitsch, literarisches Unvermögen und zweifelhafte Folklore (das alles ist er zwar auch, aber damit hat es sich eben nicht) und die Beschäftigung mit ihm kann vom Anspruch her über allerhand Erbsenzählereien und fragwürdige gefällige Popularisiererei durchaus hinausgehen, man muß nur richtig lesen. Zwar ist May kein Dostojewski und facettenreiche psychologische Feinzeichnung ist nun so unbedingt seine Sache nicht, aber inhaltlich gibt es gelegentlich schon mal Parallelen, und Figuren ähneln einander in gemeinsamen Grundtendenzen, wenn auch vielleicht auf einer anderen Ebene (natürlich hat der Krikelanton z.B. nicht die unbestechliche Intelligenz Myschkins).

(Wenn du aber die Leute versuchst aufmerksam zu machen und ihnen z.B. mit der beeindruckenden Szene mit dem Trinklied, mit vinum bonum und Äppelpäppel (beides steht natürlich für etwas) kommst, dann erklären sie dir, dass Apfelwein gemeint sei, aber dass es in der Figur wie im Lied um verschiedene Mentalitäten und Bewußtseinsstufen geht, das verstehen sie nicht, und wenn du es ihnen dreimal erklärst. Aber dafür kennen sie sich mit Apfelwein aus. Oder erklären des Silberbauern vortreffliche „Redlichkeiten“ (eine beeindruckende, auf Anhieb zu verstehende Stelle, „O die Redlichkeiten !“ ruft er, verstört und verbittert-verzweifelt und selbstverständlich im Plural, etwa als hätte er „Oh die Illusionen !“ oder „Oh die Werte !“ gerufen) mangels besseren Verständnisses kurzerhand zum bayerischen Schein-Plural.)


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Auflage: 1