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Band-Rezensionen

Band: Winnetou Band 1

Verlag: Verlag Neues Leben Berlin
Reihe: Karl May im Verlag Neues Leben

Eintrag von HansBuchwitz (vom 20.11.2006) (weitere Einträge von HansBuchwitz)

Der Beitrag stammt aus "Karl May in Leipzig", Nr. 11 / 1992

Fragen eines lesenden DDR-Bürgers zu &#8222;Winnetou, Band 1&#8220;
1. Frage: Verlag Neues Leben, Berlin hat 1982 Karl Mays "Winnetou 1" aufgelegt. Auf Seite 4 steht:"Die Ausgabe erscheint unter Zugrundelegung der 1893 im Verlag F. E. Fehsenfeld herausgegebenen Originalfassung Karl Mays."
Was ist mit "unter Zugrundelegung " gemeint?
Antwort: Die Sätze der Berliner Ausgabe 1982 sind fast in allen Fällen wörtlich aus der Fehsenfeldausgabe 1893 übernommen, mit geringen Abweichungen.
Es sind aber nicht alle Sätze der Fehsenfeld-Ausgabe in der Berliner enthalten. Es wurden insgesamt 178 Zeilen weggelassen, verteilt auf 13 Stellen. Die geringen Abweichungen vom Originaltext waren vorwiegend nötig, um an den Stellen, wo etwas weggelassen wurde, sinnvoll wieder an den Text Karl Mays anzuschließen.

2. Frage: Wurde die Handlung des Buches verändert?
Antwort: Der Ablauf der Handlung wurde nicht verändert. Einige Gedanken, die sich Old Shatterhand macht, sind weggelassen und einige Gespräche sind gekürzt. Darüber hinaus wurden einige Gespräche verändert.

3. Frage : Worauf beziehen sich die Streichungen und Änderungen?
Antwort . Karl Mays Weltanschauung war die eines deutschen Kleinbürgers, religiös, national, vielleicht auch nationalistisch und konservativ, antirevolutionär gefärbt. Das kommt wohl in allen seinen Werken zum Ausdruck.
Diese Haltung verschleiert der Bearbeiter durch seine Streichungen und Textveränderungen. Vielleicht nimmt er an, daß Karl May diese Tendenzen aus geschäftlichen Gründen in das Buch eingefügt hat, weil er schließlich im deutschen Kaiserreich schrieb und auf den Geschmack seiner Leser Rücksicht nehmen mußte, daß alles also gar nicht seiner wirklichen Meinung entsprach.
[...]
Die religiösen Ansichten Karl Mays kommen besonders in seinem Gespräch mit Klekih-petra, dem weißen Lehrer Winnetous zum Ausdruck, der einstmals Atheist war und durch Schicksalsschläge und den Einfluß eines Pfarrers wieder zum christlichen Glauben fand, woraus sich eine tätige Liebe zu den unterdrückten Indianern entwickelte. Auf Seite 106 ist das nur ganz kurz angedeutet und eine Erläuterung fehlt, so daß der Zusammenhang verloren geht. Einige wenige Sätze (insgesamt etwa 6 Zeilen) auf S.113 weggelassen, verwischen dann das Bild ganz.

- Die zusammenfassende Darstellung, wie Old Shatterhand den "Heiden" Winnetou im Laufe der Jahre im Sinne des Christentums "umformte", wird durch das Weglassen von 11 Zeilen auf Seite 343 beseitigt. Dazu kommen noch ein paar kleinere Streichungen, etwa die, daß Sam Hawkens ein frommer Mensch sei und er sich mit ihm über religiöse Dinge unterhalten habe (Seite 47) oder daß über allen Menschen der große Weltenlenker wache. (Seite 462).

- Die nationale oder nationalistische Meinung Karl Mays ist wirklich ganz zahm in einer Äußerung Klekih-petras enthalten. Auf Seite 105 sagt er: "Wir Deutschen sind doch eigentümliche Menschen..," - in der Fehsenfeld-Ausgabe ist hinzugefügt :"Unsere Herzen erkennen einander als verwandt, noch ehe wir es uns sagen, daß wir Angehörige eines Volkes sind. Wenn es doch nun endlich einmal ein einiges Volk werden wollte."
Diese Zeilen, die etwa 1862 spielen sollen, läßt der Berliner Bearbeiter weg.
Es gibt in anderen Karl-May-Büchern stärkere Stellen, abgesehen davon, daß alle "positiven" Weißen von Geburt Deutsche sind - Old Shatterhand, Old Firehand, Sam Hawkens, Hobble Frank usw.

- Schließlich noch die antirevolutionäre Seite: Klekih-petra erklärt Old Shatterhand in dem schon erwähnten Gespräch (Seiten 106 und 107) in der alten Ausgabe seine Lebensgeschichte, wonach er in Deutschland Hochschullehrer und Revolutionär war (,wahrscheinlich 1848) und offenbar zahlreiche Anhänger hatte, von denen bei den Kämpfen viele ums Leben kamen, Für ihren Tod fühlt er sich verantwortlich und empfindet tiefe Reue, die letztlich zum Christentum geführt hat. Klekih-petra distanziert sich von seiner früheren revolutionären Gesinnung.
Der ganze Absatz wird in der Berliner Ausgabe weggelassen, Das Gespräch wird um insgesamt 97 Zeilen gekürzt,

4. Frage: Gibt es Beziehungen zu der Ausgabe des Karl-May-Verlages Bamberg, die 1951 erschien?
Antwort: Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Eine Textstelle spricht dafür, daß der Berliner Bearbeiter ein Auge in der Bamberger Ausgabe hatte, eine spricht dagegen: Ziemlich am Anfang des Bandes ersticht Old Shatterhand seinen ersten Grizzlybären, nachdem er ihn vorher durch zwei Revolverschüsse in die Augen geblendet hat. Sam Hawkens, der nicht dabei war, untersucht später den Bären und entdeckt keine Kugel, nur die Messerstiche (in der Fehsenfeld-Ausgabe). Das ist ein logischer Fehler Karl Mays, bzw. eine Unachtsamkeit im Detail.
In der Bamberger Ausgabe, deren Bearbeiter das gemerkt hat, wird hinzugesetzt "... in beiden Augen stecken Revolverkugeln". Und das gleiche, mit etwas veränderten Worten, steht in der Berliner Ausgabe.

Ein anderer logischer Fehler Karl Mays bringt aber den entgegengesetzten Schluß: Als Old Shatterhand nach wochenlanger Bewußtlosigkeit im Pueblo der Apachen aufwacht, sieht er als erstes Winnetous Schwester. Sie heißt N'scho-tschi, das heißt "Schöner Tag ". Da Shatterhand aber kein Wort der Apachensprache versteht, kann er natürlich auch die Bedeutung des Namens nicht wissen. In der Fehsenfeldschen Ausgabe macht er jedoch (in englischer Sprache, die N'scho-tschi versteht) sofort, als N&#8217;scho-tschi ihren Namen nennt, dieser ein Kompliment, wegen der Übereinstimmung von Namen und Aussehen.
Diesen logischen Pehler Karl Mays hat der Bamberger Bearbeiter, das schlaue Kerlchen, bemerkt und dadurch ausgebügelt, daß er N'scho-tschi hinzusetzen läßt ".., in der Sprache der Bleichgesichter heißt das "Schöner Tag"....". Dann erst folgt das Kompliment. In der Berliner Ausgabe ist jedoch auf Seite 252 der unlogische Text der Fehsenfeld-Ausgabe unverändert angeführt.

5. Fage: Wurde sonst noch etwas verändert ?
Antwort: Der erste Absatz des Buches fehlt. May vergleicht darin den Indianer als den "sterbenden Mann" mit dem Türken, dem "kranken Mann". Sicher ist diese Einschätzung von 1893 einem Leser von heute nicht mehr verständlich und die Streichung scheint gerechtfertigt.
Das Wort "Rasse" vermeidet der Berliner Bearbeiter, er ersetzt es durch "Mann" oder "Volk".

Eine Erläuterung, warum die Westmänner so viel Fleisch essen (weil Fleisch so wenig Kohlehydrate - May sagt "Kohlenstoff"enthalte, daß zur Deckung des nötigen Bedarfes eben so sehr große Fleischmengen erforderlich seien) wird völlig weggelassen, warum, ist nicht erfindlich.
Old Shatterhands Puls geht vor dem Kampf auf Leben und Tod mit "Blitzmesser" ganz ruhig - lt. Original 60 Schläge, lt. Bamberg 70 Schläge, lt. Berlin 80 Schläge. Wenn das keine positive Entwicklung ist!
Der Rest sind unbedeutende Kleinigkeiten.

6. Frage: Sollte man nun den "Winnetou" aus Berlin weiterempfehlen?
Antwort: Wer ein spannendes Indianerbuch lesen will, kommt sicher auf seine Kosten. An der action ist nichts geändert. Ein Karl-May-Fan sollte es lieber lassen. Er verdirbt sich nur den Geschmack!

Leipzig 1983

Nachbemerkung 1992:
Der Verlag Neues Leben hat vor einiger Zeit für seine neue Auflage der May-Serie mit einem schönen bunten Plakat geworben, Sie werden es sicher kennen.
In der neuen Aufmachung ist auf dem Einband von 'Winnetou 1" ein Indianer hoch zu Roß abgebildet, im Hintergrund ein Tafelberg. Es wurde auch verkündet, der Verlag halte sich nunmehr streng an die Originaltexte.
Ob dieses wirklich stimmt, wollte ich erkunden und versuchte, den auf dem Plakat abgebildeten "Winnetou 1" zu bekommen.
Das mißlang. Eine telefonische Nachfrage bei der Vertriebsabteilung des Verlages am 20.10.92 ergab, daß "Winnetoul" z.Zt. in der 2. Auflage von 1990 vertrieben wird, nicht überarbeitet! Auch das Titelbild mit dem Adlerkopf ist noch das gleiche. Man werde, so wurde mir erklärt, das neue Bild bei der nächsten Auflage verwenden - falls es noch eine gibt! Ob dann Mays Originaltext gedruckt wird,konnte die Leiterin der Vertriebsabteilung nicht sagen.
Ein Vergleich der wesentlichen Stellen mit der 1.Auflage ergab:
Es wurde in der Tat nichts verändert!
Mein Zorn von damals scheint also immer noch berechtigt.


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Auflage: 2
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