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Band-Rezensionen

Band: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1985

Verlag: Hansa Verlag Husum
Reihe: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft

Eintrag von Rüdiger (vom 25.3.2011)

Einleitung

May sei, verglichen mit Anderen, „ein viel Geringerer, doch kein Geringer“ schreibt Claus Roxin auf S. 10, und das soll ein Lob sein ... ich möchte ihm in Sachen „viel Geringerer“ widersprechen.

Dann schreibt er sehr schön „Ihm war ’diese Welt stumm’, und all sein Dichten strebte über sie hinaus“, letzten Endes, bzw.: am Ende, ja.

Daß das „Sonnenscheinchen“ „hausbacken“ geraten ist, (S.12), finde ich durchaus nicht.

Insgesamt fällt aber das hohe Niveau dieser Einleitung auf, heutige Schnurzlipurzliöffentlichkeitsanbiederer können sich eine Scheibe abschneiden.

Mays Aufsatz „Theater“ sollte man nicht so simpel deuten (S. 14), „aufschlußreich. Denn er zeigt, wie sehr der kranke alte Mann [...] benötigte“, es geht ja eben nicht [nur] um Karl May und Bad Salzbrunn, sondern es stehen allgemeingültige, schön gesehen und ebenso vorgetragene, bestens übertragbare Dinge in diesem Text.

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Die Briefe an Pustet und Denk beinhalten allerhand Seltsamkeiten, von Wollschläger treffend einleitend kommentiert. In Sachen Otto Denk spricht er sehr schön von "persönlicher Geistesenge" (S. 16) und bei May durchaus zutreffend von "Realitätssinn", nämlich "in höherer Bedeutung" (S. 18).

Unglaublich, was sich die Hausschatz-Redaktion erdreistet hat und was May sich (zu jener späten Zeit !) hat gefallen lassen („wenn Sie in dieser Weise streichen ...“, S. 30)

May schreibt in Zusammenhang mit redaktionellen Eingriffen sehr richtig, daß solches "den organischen Zusammenhang zwischen Wort und Inhalt stört" (S. 54).

Immer wieder Cardauns und noch mal Cardauns, vgl. GW Band 85 ...

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„Nein, das Entscheidende, das sein ganzes Schicksal bestimmt hat, lag doch in ihm selber“ erkennt Stolte richtig (S. 68)

Überhaupt nicht nachvollziehen kann ich aber „Nichts erscheint mir schwerer, als sich in seine so absonderlich gestaltete Psyche hineinzudenken oder gar hineinzuversetzen. [...] dieses wirklich zu begreifen dürfte auch dem geschultesten Psychologen kaum möglich sein. [...] ein eigentliches ‚Begreifen’ außer unseren Möglichkeiten liegt.“ Sich in den Menschen Karl May hineinzuversetzen, erscheint mir persönlich als eine der „leichtesten Übungen“ ...

Die „Menschheitsfrage“ (S. 69), oft mißverstandener Begriff ...

Dem schwer verständlichen Schluß des Mayschen Hiob-Gedichtes widmet Stolte nur ein lapidares „Doch auch noch ein Stück ‚Prometheus’ scheint mitzuschwingen“ (S. 73) ... Na klar, aber wie ist das nun einzuordnen ?!

Gut erkannt, wenn auch etwas verhalten vorgetragen, ist die Überkonfessionalität Mays.

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Lorenz, Geldmännle

Daß man vom „Geldmännle“ als einer „kleinen, scheinbar harmlosen Geschichte“ sprechen kann, erschließt sich mir nicht so recht ... (selbst wenn das dann durchaus relativiert wird.)

„Der Gedanke, daß auch die frühen Erzählungen als Schritte auf dem Weg zur Symbolik gedeutet werden könnten, kehrt in Mays späten Schriften immer wieder, und vermutlich hat er sich selbst auch ein wenig an der Idee berauscht, man werde in seinen Büchern so etwas wie den Gang der Menschheitsseele von der ‚Wüste’ hinauf nach Dschinnistan entdecken können.“ Freilich kann man so etwas entdecken ...

„May setzt, großzügig und unbescheiden, aber vielleicht gar nicht so falsch seinen ‚Leidens’- und Erkenntnisweg dem gleich, den die Menschheit zu gehen hat“, so in etwa ist es, und so hat sein „Das Karl-May-Problem ist das Menschheitsproblem“ in etwa gemeint.

„Der Neubertbauer stellt einen gewissen Aspekt der Persönlichkeit Mays dar, den schuldig gewordenen Menschen.“ Das ist gut gesehen.

„Es ist immerhin möglich, daß der Geschichtenerzähler May mehr Einsicht in eigene Fehler besaß als der May des Alltags.“ Auch dies.

Interessant die Anmerkungen zur Figur des Bernstein, „In vieler Hinsicht hat Karl May in der Geschichte Hermann Bernsteins also so etwas wie die eigene ‚Wunschbiographie’ geschrieben“.

Auch dieser Gedanke ist interessant: „Hinter dem Brüsseler Spitzenfabrikanten verbirgt sich Mays Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld, der May allerdings im Vergleich zum ‚Musterwirt’ Münchmeyer wie ein Verlagsbuchhändler 1. Klasse (‚Brüsseler Spitzen’) vorgekommen sein muß, und Mays Werke denn auch prompt als ‚Brüsseler Spitzen’ (‚Carl May's Gesammelte Reiseromane’) verkauft.“

„Interessant ist im ‚Geldmännle’ wie auch im übrigen Alterswerk die auffallende Bedeutung, die den Augen (als Sitz der Seele) zugeschrieben wird.“ Sehr richtig. Aber nicht erst im Alterswerk; denken wir z.B. an die „Dukatenaugen“ aus einer Dorfgeschichte ...

Lorenz gelingen schöne Sätze, „nicht der äußere Schein ist wichtig, die ‚Ausstellung’, die du selbst dir auf Erden schaffst, sondern dein ‚innerer Schatz’, dein wahres Selbst!“

„Es liegt auf der Hand, daß May hier die ‚Falschmünzerei’ im übertragenen Sinne verstanden wissen will; die Musterwirte bekämpfen den Geist und unterdrücken die Seele mit Lug und Trug (falschem Geld). Ihre Despotie, die sich auf unlauteren Machenschaften aufbaut und das Licht des Tages scheut“ ... Die Welt ist voller Musterwirte, sie sind überall ...

„So wird das Bergle zu einer ‚Insel der Seligen’“. So ist das.

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(Anmerkungen zu den weiteren Beiträgen folgen ggf. zu einem späteren Zeitpunkt.)


 
Auflage: 1